Einstellung des Betriebes?

 

 

 

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Tagesordnung der Aufsichtsratsitzung der Ostpreußischen Kleinbahnen-A.G. am 27. April 1932
Vorlage zu Punkt 3 der Tagesordnung

„… Bisher ist die Entbindung von der Betriebspflicht für die Verluststrecken der Wehlau-Friedländer Kreisbahn und der Strecke Kraupischken–Ragnit der Insterburger Kleinbahnen auf Antrag ausgesprochen. Auf diesen Strecken verkehren nur noch Bedarfszüge. Als Ersatz für sie Strecke Tapiau–Labiau ist eine Kraftfahrlinie eingerichtet worden. Nach dem Gesagten ist bei diesen Strecken wegen ihres Zusammenhanges mit anderen Strecken die Auswirkung der Betriebsstillegung eine begrenzte.

Dagegen würde mit der Betriebstillegung der dauernd große Zuschüsse erfordernden Oletzkoer Kleinbahn in ihrem ganzen Umfang eine wesentliche Entlastung des Unternehmens eintreten.
Die Oletzkoer Kleinbahn umfaßt die Strecken Treuburg–Garbassen (27,25 km) und Treuburg–Schwentainen (15,85 km Betriebslänge), sie hat 100 cm Spurweite und ist am 17.11.1911 in Betrieb genommen. Schon von Anfang an ist der Verkehr nicht derart gewesen, daß die Betriebsausgaben gedeckt werden konnten. Mit Ausnahme der Geschäftsjahre 1915/16 und 1916/17, die hier nicht in Betracht gezogen werden können, weil in ihnen durch den Wiederaufbau kriegszerstörter Gebiete außergewöhnliche und einmalige Transporte und Einnahmen aufkamen, sind in allen Jahren hohe Betriebsfehlbeträge entstanden. Diese Fehlbeträge, also ohne Betriebsführungskosten, Rücklagen in den Erneuerungsfonds und Verwaltungskosten haben betragen:

1924/25 12.958,75 RM
1925/26 14.671,71 RM
1926/27 16.734,66 RM
1927/28 11.202,62 RM
1928/29 34.019,85 RM
1929/30 16.243,62 RM
1930/31 33.462,41 RM
im 1. Halbjahr   1931/32 14.846,64 RM
zusammen 154.140,26 RM

Angesichts der Höhe dieser Fehlbeträge ist auf Antrag der Kleinbahngesellschaft bereits am 12. April 1927 die Befreiung von der Betriebspflicht für die Strecke Treuburg–Schwentainen ausgesprochen worden. Die Einstellung des Betriebs ist bisher unterblieben mit Rücksicht darauf, daß der Kreis Oletzko durch Zahlung eines Teils der Fehlbeträge in einem Gesamtbetrage von 67.400 RM sein besonderes Interesse an der Aufrechterhaltung des Betriebs der ganzen Oletzkoer Kleinbahn gezeigt hatte. In den letzten Jahren hat der Kreis jedoch weitere Zuschüsse für die Aufrechterhaltung des Kleinbahnbetriebs abgelehnt. Bei dieser Sachlage erscheint eine weitere Aufrechterhaltung des Betriebs auf der Oletzkoer Kleinbahn nicht mehr vertretbar. Die Betriebseinstellung nur der Strecke Treuburg–Schwentainen würde keine genügende Entlastung bringen; es muß daher vorgeschlagen werden, den Betrieb auf der gesamten Oletzkoer Kleinbahn einzustellen, die ganze Bahnanlage abzubrechen und die noch gut erhaltenen Oberbaustoffe zur Unterhaltung der anderen Betriebsstrecken zu verwenden.

Infolge der Stillegung bliebe hier zwar eine Personallast von jährlich 19.130 RM für acht Angestellte, die nach den Satzungen der Pensionskasse für Beamte Deutscher Privateisenbahnen nicht entlassen werden könnten, bestehen. Diese würde sich aber durch die Unterbringung und Beschäftigung der Angestellten in anderen Betrieben -wenn nicht anders anstelle von Lohnangestellten- sogleich um mindestens 50% herabsetzen lassen. Mit der Zeit würde sie durch natürlichen Abgang ganz entfallen.
Zur Aufnahme des Personenverkehrs ist die Einrichtung einer Kraftfahrlinie von Mierunsken nach Treuburg mit Anschluß nach Garbassen und Plöwken und von Treuburg nach Schwentainen beabsichtigt.
Der durch den Rückbau der Kleinbahn freiwerdende Oberbau kann auf Strecken, die noch einer Gleisverstärkung, zum Wiedereinbau gelangen, wobei die Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, den Rück- und Wiedereinbau aus der wertschaffenden Erwerbslosenfürsorge zu finanzieren.
Die Rückbaukosten (ohne Inanspruchname der wertschaffenden Erwerbslosenfürsorge) werden etwa 53.000 RM betragen. Diesen steht ein Wert aus den gewonnenen Oberbaustoffen gegenüber von 110.00 RM so daß sich ein Überschuß von 56.500 RM ergibt. Über die Verwendung der sonstigen Anlagewerte (z.B. Gebäude, Betriebsmittel usw.) wird später Vorlage gemacht werden.
Um die Betriebseinstellung möglichst bald durchführen zu können, ist im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats bei der Aufsichtsbehörde beantragt, die Befreiung von der Betriebspflicht nunmehr auch auf die Strecke Treuburg–Garbassen auszudehnen.
Das Anlagekapital der Oletzkoer Kleinbahn ist wie folgt aufgebracht worden:

Aktienkapital in M
bei der Gründung
16.12.1909
Aktienkapital in RM
nach der Umstellung
1.7.1924
Preußischer Staat 1.050.000 735.000
Provinzialverband Ostpreußen 525.000 367.000
Kreiskommunalverband Oletzko 525.000 367.000
Ostdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft 463.000 324.000
Summe 2.563.000 1.794.000

Ob und in welcher Höhe nach dem Abbruch der Bahn eine Herabsetzung des Aktienkapitals erforderlich oder zweckmäßig ist, darüber wird nach Einstellung des Betriebes besondere Vorlage gemacht werden. Es wird beantragt, der Betriebseinstellung und dem Abbruch der Oletzkoer Kleinbahn zuzustimmen.“