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Ostpreußen 1944/45: in den letzten Zügen (sic!)
Zeitzeugenbericht Otto Neuschulz
Bahnhof Eichkamp (Gr. Schakummen)
[…], hatte Göring auch in der Rominter Heide in Ostpreußen ein pompöses Jagdhaus, den sogenannten Reichsjägerhof, bauen lassen. Er lag in der Nähe des früheren kaiserlichen Jagdschlosses. Das Land der dunklen Wälder und Seen war natürlich für Göring, ähnlich wie die Schorfheide, ein ideales Jagdrevier. Ich war sehr beeindruckt von dieser urwüchsigen, ja sogar fast noch unberührten Natur in diesem Teil Ostpreußens.
Im November 1944* hatte ich die Gelegenheit, als Angehöriger eines Sonderkommandos Göring nach Rominten zu kommen, um Göring während seiner Pirsch zu bewachen. Von Carinhall aus fuhren wir mit einem Kurswagen der Reichsbahn durch den Korridor, über Marienburg nach Goldap bis Eichkamp, dem Bahnhof Görings.
Dieser Bahnhof war seinerzeit extra für den Reichsmarschall angelegt worden. Sehr modern und überschaubar; am Rande auf einer leichten Anhöhe standen die Unterkunftsbaracken der Wachmannschaft. Wir hatten die Stärke eines Zuges. Das reichte aus, um in Rominten die Sicherheit zu gewährleisten.
Die Ostfront war nur etwa 50 Kilometer, nahe Schloßberg, von uns entfernt. Leichtes Grollen der Artillerie war zu hören. Außerdem bekamen wir laufend Störfeuer aus der Luft. Die russische Nähmaschine, ein russischer Bomber, der wegen seines Geräusches so genannt wurde, bombardierte die Gegend mit kleinen Splitterbomben. Eine unangenehme Angelegenheit…
Von der Unterkunft bis zum Reichsjägerhof Rominten war es nicht weit. Nur ein kleiner Fußmarsch war erforderlich. Es gab zwei Sicherungs- bzw. Postenketten am Reichsjägerhof: einen „Innenring“ und einen „Außenring“. Ich hatte das Glück, immer im Innenring postiert gewesen zu sein. Göring kam jedoch nicht zum Jagen. ….
Bald darauf verließ Göring „sein“ Rominten* . Eine gewisse Zeit lagen wir noch in Bereitschaft am Bahnhof in Eichkamp, aber Göring kam nicht zurück, was schon vermutet worden war. Die Front hatte sich weiter genähert, sicher war auch dies ein Grund, warum er nicht zurückkam.
* Anmerkung: Göring verließ die Rominter Heide am 16.10.1944
Zeitzeugenbericht Dora Schottermeyer (Stallupöner Heimatbrief 2003)
Bahnhof Eichkamp (Gr. Schakummen)
Unser Dorf war Bahnstation auf der Strecke Gumbinnen-Tollmingen-Birkenmühle. Oftmals machte der „Göringzug“ bei uns Station. Der „Reichsjägermeister“ fuhr dann in die Rominter Heide und ging da zur Jagd. Ein Sägewerk neben dem Bahnhof* wurde nach Polen verlegt und dafür eine kleine Kaserne eingerichtet, wo eigens für Göring eine Schutztruppe untergebracht war. Dadurch profitierte die Bevölkerung auch etwas. Die Soldaten hatten Kino, das auch von den Bewohnern Eichkamps zugänglich war. Ein Exerzierplatz durfte von der Dorfjugend als Bolzplatz benutzt werden. …
… als wieder einmal der Göringzug im Bahnhof stand, wurden alle Kindergartenkinder in Reih und Glied dorthin geführt. Wir freuten uns alle diesen Luxuszug betreten zu dürfen und waren gespannt, was uns erwarten würde. Erst einmal wurden wir zu zweit in eine richtige Badewanne gesetzt, anschließend zum Friseur geführt. …
… Am 17. Oktober rief unser Bürgermeister Naujoks die Bevölkerung zusammen und teilte uns mit, daß der Ort am nächsten Tag geräumt werden müsse. Er gab uns auch Anweisung über den Ablauf. Die Bahnreisenden sollten um 8 Uhr am Bahnhof sein. Für uns Kinder war dies ein großes Abenteuer, denn eine weite Reise mit dem Zug hatten wir noch nie gemacht. Jeder bekam am Abreisetag sein Gepäck. In einem Kinderköfferchen hatte ich meine Lieblingssachen eingepackt und einen Kinderregenschirm nahm ich mit, den ich später zu meinem Leidwesen im Zug hängen ließ.
Wir standen um 8 Uhr bereit und warteten auf unseren Zug. Dieser kam und kam nicht. Am Rande des Bahnhofsgebäudes lagerte Munition und meine Mutter hatte große Angst vor Tieffliegern, denen wir ja ein schönes Ziel boten und dazu noch die Munition. Es verging Stunde um Stunde und der Zug kam nicht…
… Es dauerte dann bis 11 Uhr, da kam der Zug endlich aus Richtung Birkenmühle. Viel später erfuhren wir, daß der Zug deswegen Verspätung hatte, weil die Gleise bombardiert worden waren und der Zug nicht mehr zurückfahren konnte. Die Schienen mußten erst notdürftig repariert werden. Es war der allerletzte Zug, der diese Strecke gefahren ist, denn diese Bahnlinie gibt es nicht mehr. Der Güterzug mit unseren Sachen war schon vorher losgeschickt worden. Als unser Zug aus Eichkamp fuhr, trieben Belgier …. Wir waren dem Russen entkommen und zwar ganz knapp, denn später erfuhren wir, daß einen Tag später Eichkamp Front war und drei deutsche Soldaten gefallen sind.
* 100 m nordwestlich