Zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg hieß der erste einfach „Der Weltkrieg“. Dazu kein weiterer Kommentar. Ostpreußen war — ausgenommen kleine Gebiete des Oberelsaß und Lothringens — das einzige größere deutsche Gebiet in dem im Weltkrieg gegnerische Truppen standen und gekämpft wurde. Beginnend am 12. August 1914 griff, für das Deutsche (Kaiserliche) Heer völlig überraschend, die Kaiserlich Russische Armee mit ihrer I. Armee von Osten (Njemen-Armee; Gen. Rennenkampf) und der II. Armee von Süden (Narew-Armee; Gen.Samsonov) an. Die Schlacht bei Gumbinnen fand am 19./20 August statt; zuvor gab es am 17. August ein Gefecht bei Stallupönen. Innerhalb von zwei Wochen drangen die russischen Streitkräfte bis weit in Ostpreußen hinein vor. Das Deutsche Heer (8. Armee Generaloberst v. Prittwitz) plante einen überstürzten Rückzug (erster Rückzug August) hinter die Weichsel. Für die Eisenbahn bedeutete der Rückzug, neben den militärischen Transporten, den Abtransport der in Panik flüchtenden Bevölkerung. Darüberhinaus sollte, so „gut“ wie möglich, von den Eisenbahntruppen die Bahninfrastruktur (vor allem Brückenbauwerke) zerstört werden. Kretzschmann bemerkt dazu, daß die Einheiten für den „Rückbau“ erst Erfahrungen sammeln mußten. Weil es gelang, das rollende Material zum größten Teil nach Westen abzufahren, konnten die Russen — ihre Breitspur erschwerte es zusätzlich — keinen raschen Gewinn durch die Übernahme der Eisenbahnen ziehen. Zudem mußten sie sich nach den beiden obengenannten Schlachten (Ludendorf, Hindenburg) sehr schnell wieder nach Rußland zurückziehen. Wegen dieses Hin und Heers erlebte die große Brücke über die Angerapp bei Darkehmen. ein wechselvolles Schicksal. Unter anderem wurde am 13. November eine Verbindungskurve Insterburg–Angerburg fertiggestellt, da wegen der Nähe zur vorrückenden Front eine Wiederherstellung der Brücke abgebrochen werden mußte. Die schließlich 1915 (nach der Winterschlacht im Februar) wiederherzustellenden Brücken im Bereich Gumbinnen/Goldap zeigt die obige Karte. Die Markierung der Romintebrücken bei Samelucken (rot) und Makunischken (blau) habe ich auf der Karte ergänzt; sie sind auf der Originalkarte und in der zugehörigen Liste nicht aufgeführt, aber beide sicher zerstört worden (siehe Kretzschmann weiter unten). Die Teilstrecke Tollmingkehmen–Szittkehmen wurde am 21.2.1915 wieder in Betrieb genommen. Laut Kretzschmann „befanden sich Gleis- und Fernsprechanlagen … in gutem Zustand, nur die Weichen der Bahnhöfe waren ausgebaut oder zerstört.“ Von Bedeutung war dieser Streckenabschnitt, weil von Szittkehmen ausgehend eine militärische Feldbahn in Richtung Osten gebaut wurde. Sie sollte den eisenbahnfreien Raum zwischen Eydtkuhnen und Prostken erschließen helfen. Die Karte wurde nach Ende des Weltkrieges erstellt und enthält deshalb sowohl die Feldbahnen Szittkehmen–Rutka Tartak und Pillupönen Gradzyski als auch das Projekt einer zweigleisigen Verlängerung der militärischen Transportstraße III von Goldap über Pablindszen nach Sestako an der Linie Suwalki-Alytus. Die Brücke der Strecke Gumbinnen-Szittkehmen über die Rominte bei Samelucken wurde im November 1914 von einer deutschen Einheit gesprengt; sie wurde wegen geringer Bedeutung erst 1916/17 wiederhergestellt. Dazu unter dem Textausschnitt ein Bild von der Brückenbelastungsprobe. Herr Sukhin berichtet darüber. In diesem Zusammenhang zwei Zitate aus GAUSE, Die Russen in Ostpreußen 1914/15: S. 40, Zweites Kapitel, Die Flucht (Provinzialkriegsarchiv Kreis Goldap, M. Szittkehmen, Szittkehmen und Einzelberichte, Dobawen; Moszeik I, S.216)
Dazu ein ZEIT-Artikel: „Der Mythos von Tannenberg“ und eine großformatige amtliche Kriegskarte, die auch die anschließende Expansion in die baltischen Staaten — Stichwort OBEROST — im Jahre 1915 deutlich macht. Hier ein Ausschnitt aus dieser Karte:
Eine Karte läßt aus der Wiederherstellung der Strecken im Regierungsbezirk Gumbinnen im September/Oktober — nach den Schlachten bei Tannenberg und an den masurischen Seen — darauf schließen, wie weit die Russen vorgedrungen waren. (Die Strecke Gumbinnen− Szittkehmen wurde wegen ihrer untergeordneten Bedeutung zunächst nicht wieder in Betrieb genommen.
Nach einem kurzen zwischenzeitlichen Vormarsch und Rückzug bei Lyck und Oletzko im Oktober drangen sie (X. russ. Armee) ab November wieder in Ostpreußen ein (zweiter Rückzug) und wurden bis zur Angerapplinie „vorgelassen“. Das kaiserliche deutsche Heer hatte wesentliche Kräfte abgezogen. Obige Karte „Schematische Darstellung“ zeigt den Frontverlauf Ende August (weitestes russisches Vordringen) und Ende Dezember (russisches Überwintern 1915/16)
Da die Russen bis Februar (Winterschlacht) die Brücke bei Makunischken an der Strecke Goldap–Stallupönen reparierten, wäre herauszufinden, ob sie in Breitspur betrieben wurde.
2
Angerappbrücke bei Judtschen, Hauptstrecke der Preuß. Ostbahn
6
Angerappbrücke bei Darkehmen,
Strecken Insterburg–Darkehmen–Goldap–Lyck und Gumbinnen–Darkehmen–Angerburg
7
Angerappbrücke bei Angerburg
18
Pissabrücke 3 km östl. Gumbinnen, Hauptstrecke der Preuß. Ostbahn
20
Goldapbrücke nordöstl. Goldap, Strecke Goldap–Stallupönen
21
Goldapbrücke in Goldap östl. des Bahnhofes,
Strecken Goldap–Marggrabowa und Insterburg–Goldap–Stallupönen
Daß ganze Ortschaften sich geschlossen auf den Weg machten, kam zunächst nicht oft und nur in den unmittelbaren Grenzgebieten vor, wo die Kriegsführung der russischen Patrouillen, die über die Grenze vorstießen und, Bahngleise sprengten und vielfach […]
S. 160, fünftes Kapitel, Greueltaten
Schließlich sind in diesem Zusammenhang noch zwei Überfälle auf Eisenbahnzüge zu erwähnen. Der Zug von Szittkehmen nach Tollmingkehmen wurde am 17. August von den Russen unter Feuer genommen. Als er anhielt, liefen die Fahrgäste davon; dabei wurden vier erschossen.